Wasserfall



Schottland zu Fuß und im Packraft

Tom Schilling

Five Sisters of Kintail,
River Glass und River Beauly

Für meine Mutter


Impressum

Auflage November 2024
© Tom Schilling, Dresden, Deutschland

Dieses Buch ist ein Ausdruck der Webseite
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Schottland 2015: Zu Fuß unterwegs in den Five Sisters of Kintail und mit dem Packraft auf River Glass und Beauly nach Inverness


Vorbereitung

Freunde von mir planten im Sommer eine 14-Tage Rundtour durch Schottland und hatten mich dazu eingeladen. Weil ich nicht die ganze Zeit mit Whiskyverkostungen verbringen wollte, beschloß ich, nur eine Woche mit ihnen mitzufahren und den Rest für eine Solo-Wanderung zu spendieren.

Ich hatte mir im Vorjahr ein Packraft gekauft, so ein ultraleichtes aufblasbares Boot, und das bisher nur einen Tag im Spreewald ausprobiert, wo ich den normalen Kanus nur mit viel Kraft hinterherhecheln konnte. Angeschafft hatte ich das Boot, weil damit Touren wie in Norwegen wesentlich erleichtert worden wären. Statt eine gefährliche Flußquerung zu unternehmen, würde ich einfach ans Ufer des Sees gehen, in den der Fluß mündet, und auf dem See in ruhigem Wasser auf die andere Seite gelangen. In Norwegen sind viele Flüsse sehr kurz.

Eine Passage im Boot sollte also auf jeden Fall bei der Wanderung mit dabei sein. Ich entschied mich für die Five Sisters of Kintail, eine langgezogene Kette aus Munros (Bergen höher als 914 Meter oder eingängiger zu merken 3000 Fuß), die ich nach Norden in das Tal des Allt a' Chomhlain verlassen würde. In dem Tal fließt später der River Affric, der nach zwei Seen bei Tomich zum River Glass wird. Ab Cannich schien der im Boot befahrbar zu sein. Der River Glass geht im River Beauly auf, dem ich bis Inverness folgen wollte. Ich hatte die Satellitenfotos von Google und Bing akribisch nach weißen Stellen im Wasser abgesucht und mir die kritischen Stellen ausgedruckt. Zwar war ich schon seit meiner Jugend im Kanu unterwegs, aber meine Wildwassererfahrung war gleich null.

Zu beiden Flüssen fand ich nur wenige Informationen im Internet. Sie schienen nicht häufig befahren zu werden. Auf gopaddling.info/paddlepoints wurde vor einer im Wasser liegenden Hängebrücke gewarnt, die den River Glass versperrt und auf die man recht unvermittelt nach einer Kurve stößt. Songofthepaddle.co.uk hatte ein Bild dazu. Google Maps zeigt an der Stelle noch die intakte Brücke. [Bemerkung von 2024: Die Brücke ist auf gopaddling.info immer noch als Gefahr markiert, obwohl sie vor 10 Jahren aus dem Wasser geholt wurde. Im aktuellen Google Maps gibt es keine Brücke mehr, aber der Weg dahin ist noch zu erkennen.]

leerer Platz eingestürzte Hängebrücke von Angel-Webseite eingestürzte Hängebrücke bei Google Maps leerer Platz
GPS: 57.37569, -4.70654
Bild der eingestürzten Hängebrücke von songofthepaddle.co.uk und die Brücke vor dem Einsturz bei Google-Maps.
Karte der Tour mit Übernachtungen
Karte der Tour mit Übernachtungen




Die Wanderung




  Anreise

Mein Flug ging 8:30 Uhr über Köln nach Edinburgh. Viel Zeit verliere ich in der Schlange der Paßkontrolle, schaffe aber letztlich alle Verbindungen. Für 5 Pfund fahre ich mit der Tram nach Haymarket. 13:34 Uhr fährt dort ein Zug nach Inverness, Ankunft 16:54 Uhr. Am Automaten lasse ich mir mein schon vorher gekauftes Ticket nach Inverness ausdrucken. Weil heute nur ein Ersatzzug fährt, gelten meine Platzkarten nicht, aber ich komme auch so unter.

Anflug auf Edinburgh
Anflug auf Edinburgh. Die Uhrzeit in der Kamera ist korrekt gestellt. Ich übersehe leider, daß sie ins Bild gestanzt wird.

Vor der Abfahrt meines Busses nach Shielbridge schaffe ich es noch, schnell in den Sportladen zu flitzen und mir eine Gaskartusche zu kaufen. Auf eine Mail an den Zeltplatz, ob ich dort Gas kaufen kann, hatte ich keine Antwort bekommen. Der Bus Richtung Portree fuhr lange am Westufer von Loch Ness entlang. Nessie ließ sich nicht blicken, aber das wäre wohl auch für den ersten Tag zu viel verlangt.

Loch Ness
Loch Ness vom Bus aus

19 Uhr bin ich am Ausgangspunkt der Wanderung, dem Shielbridge Caravan Park & Campsite. Ein paar Zelte und Autos sind weiträumig auf dem Platz verteilt. Die sehr ebene Wiese des Zeltplatzes steht an einigen Stellen einen Zentimeter unter klarem Wasser, so daß ich mir sofort nasse Füße hole, ein Vorgeschmack auf die nächsten Tage. Beim Zeltaufbau begrüßen mich schon die Midges, diese klitzekleinen blutsaugenden Stechfliegen, die jedem Schottlandurlaub die besondere Würze verleihen. Solange man wandert, tun sie einem nichts. Bleibt man jedoch stehen, sieht man nach spätestens 30 Sekunden eine davon, nach weiteren dreißig Sekunden zehn und kurz danach haben die ihre Kumpels gerufen und sie saugen Dich zu Hunderten aus. Ich war diesmal vorbereitet und hatte eine Gaze zum über den Hut ziehen mit. Am Zeltplatz ist ein Restaurant, das bis auf weiteres geschlossen hat. Deshalb ziehe ich mich in mein Zelt zurück und schlafe schon früh ein.

Eingang Shielbridge Camping Zelt auf Shielbridge Camping
GPS: 57.21165, -5.41632
Zelt auf Shielbridge Camping

  Shielbridge ↣ Bealach na Carnach

K km 7, L 7 km, H 1200 m, R 340 m, U 0 m, O 1067 m

In der Nacht regnete es. Einige wenige Midges hatten es ins Zelt geschafft und versammelten sich am Gazefenster, um in die Freiheit zu kommen. Draußen schweben dafür umso mehr, die rein wollen. Ich bereite das Verlassen des Zeltes generalstabsmäßig vor, packe alles zusammen, öffne den Eingang und renne Richtung Waschraum. Sanitärgebäude sind seltsamerweise meist Midges-frei. Den Zeltabbau erledige ich danach unter Vollschutz: Hut mit Gaze und Handschuhen, damit kein Flecken Haut freiliegt. Das klappt ganz gut, ich habe keine Stiche abbekommen.

Auch früh war kein Personal auf dem Zeltplatz anzutreffen, weswegen ich mich hiermit für die gratis Übernachtung bedanke! Leider hatte ich keine Münzen oder kleine Scheine, die ich hätte in den Briefkasten werfen können.

Telefonzelle Lamafarm am Loch Duich

Lamafarm am Loch Duich

Ich gehe die Landstraße Richtung Skye bis Ault-na-Chruinn an der Stirnseite des Loch Duich. Wegweiser oder Wegzeichen gibt es keine, aber an der GPS-Position ist ein Weg zu erkennen, dem ich bergauf folge. Der direkte Weg auf den ersten Gipfel, der noch keine Munro-Höhe hat (den Beinn Bhuidhe, 869 m), quert den Bach und führt durch sehr sumpfiges Gelände. Spätestens hier waren meine Füße naß. Wegen des Extragewichts des Bootes mußte ich Gewicht abspecken und hatte auf richtige Wanderschuhe verzichtet. Stattdessen bin ich in wasserfesten Sandalen unterwegs, die ich wahrscheinlich für Anlandemanöver brauchen werde. Wandersocken helfen gegen das Auskühlen der feuchten Füße, auch wenn ich jetzt nicht mehr wie ein Brite aussehe.

Einstieg in die Berge Weg entlang der Ault-na-Chruinn
Im Weiler Ault-na-Chruinn geht es am Bach Allt a' Chruinn nach oben.

Nach 500 Höhenmetern beschließe ich, auf dem Sattel zwischen Sgúrr na t-Searraich und Beinn Bhuidhe eine Pause zu machen. Alles ist naß, ich finde keine Stelle, um mich mal hinsetzen zu können, und baue deshalb im Sumpf mein Zelt auf. Die Bodenwanne steht einige Zentimeter hoch und ist komplett dicht, so daß ich mich kurz hinlegen kann, ohne daß Wasser hineinläuft. Die Midges halten sich hier oben in Grenzen. Es fliegen ein paar rum, aber keine traut sich ins Zelt. Ich mache mir ein Mittagessen warm.

sumpfige Hochebene Mittag

Mittag

Drei Stunden später gehe ich gesättigt und ausgeruht weiter bergauf. Weiter oben gerate ich in dichten Nebel und habe nicht viel von der spektakulären Aussicht. Nach dem Beinn Bhuidhe fallen links glatte Felsplatten fast senkrecht ab. Besser, man fällt da nicht hinunter.

Sumpf-Sattel von oben Gipfelgrat der Five Sisters of Kintail

Abbruchkante des Beinn Bhuidhe

Weg am Abgrund Weg am Abgrund
Weg am Abgrund

Der Pfad führt mich über Berge mit den klangvollen Namen Sgùrr nan Saighead und Sgùrr Fhuaran. Leider höre ich niemanden diese Namen aussprechen. Sehr wahrscheinlich klingen sie aus dem Mund eines Einheimischen ganz anders, als ich mir das vorstelle. Ich treffe auf die ersten Schneefelder. Wassermangel werde ich hier oben keinen haben.

Sgùrr nan Saighead
Sgùrr nan Saighead

Den ganzen Tag bin ich einsam unterwegs, nur einmal treffe ich auf Einheimische, möglicherweise einen Familienvater mit seinen fünf Söhnen. Wir unterhalten uns kurz und er fragt mich, ob ich ein Zelt mithabe. Es klang so, als ob er mir sonst vom Weitergehen abgeraten hätte.

Blick vom Sgùrr Fhuaran Schneefeld am Sgùrr Fhuaran

Schneefeld am Sgùrr Fhuaran

Nach dem steilen Abstieg vom Sgùrr Fhuaran suche ich mir im Sattel vor dem nächsten Berg eine Übernachtung. Ich bin heute mit schwerem Gepäck vom Meer in eine Höhe von 1000 Meter aufgestiegen. Für den ersten Tag bin ich damit zufrieden, auch wenn die Entfernung zum Einstieg nur 5 Kilometer Luftlinie beträgt. Ein kleines Felsenband bietet mir ein wenig Windschutz. Ich hoffe, daß das reicht, denn die sonst bei mir übliche zweite Zeltstange habe ich zur Gewichtsersparnis zu Hause gelassen.

Zelt am Paß Bealach na Carnach GPS: 57.19302, -5.34835
Zelt am Paß Bealach na Carnach

Schon beim Zeltaufbau setzt Nieselregen ein, so daß ich froh bin, ins Trockene zu kommen. Kochen macht bei Regen keinen Spaß, es gibt nur kaltes Abendbrot.

Der Weg war heute den ganzen Tag lang nicht markiert. Ob das mit den Besitzverhältnissen zu tun hat, daß man auf Privatgrund zwar laufen, aber nicht markieren darf? Auch auf den Gipfeln stehen statt der bei uns üblichen Kreuze oder Schilder nur Steinhaufen.


  Bealach na Carnach ↣ Sgùrr a' Bhealaich Dheirg

K km 15, L 8 km, H 820 m, R 760 m, U 710 m, O 1036 m

Ausblick
Der neue Tag beginnt, wie der alte geendet hat.

Die Nacht war so kalt, daß ich mich mit Klamotten in den Schlafsack gelegt hatte. Früh fehlt mir der Antrieb und ich marschiere erst um 11 Uhr los. Die Sonne läßt sich auch heute kaum blicken. Wenn doch, scheint sie sehr kraftlos durch Schleierwolken. Ich verliere beim Wandern häufig die Puste und muß einige Pausen machen.

Schafe Steinhaufen auf dem Sgùrr na Ciste Duibhe

Steinhaufen auf dem Sgùrr na Ciste Duibhe

Es geht weiterhin die Bergkette entlang, an dem ein Munro nach dem anderen aufgefädelt ist: Sgùrr na Càrnach (1002 m), Sgùrr na Ciste Duibhe (1027 m), Sgùrr nan Spainteach (990 m), Beinn Odhar (893 m), Sàileag (956 m), Sgùrr a' Bhealaich Dheirg (1036 m). Die letzten drei gehören schon nicht mehr zu den Five Sisters, setzen den Bogen aber nach Osten fort. Alle Namen habe ich OSM entnommen, wo man sich bei der Schreibweise häufig nicht einig ist, ob das nun mit einem A mit Grave drauf geschrieben wird oder ohne. Auf anderen Karten heißen die Berge auch ganz anders, je nachdem, ob man die alte gälische Bezeichnung erwischt oder eine andere. Mit den Five Sisters kann man relativ einfach viele Munro-Besteigungen sammeln, eine Lieblingsbeschäftigung der schottischen Bergsteiger. Die Sättel dazwischen gehen bis 710 Meter herunter, so daß doch ein paar Höhenmeter zusammenkommen.

Gipfel Schiefertafeln

Geologische Phänomene kurz erklärt: Senkrecht stehende Schiefertafeln entstehen durch die Anwesenheit von Menschen mit Langeweile.

Ich treffe einige Wanderer, die mir alle entgegenkommen: Ein deutsches Paar, zwei schottische Wandergruppen und acht Frauen, die seltsamerweise alle sehr gut deutsch sprechen. Die haben schon an meinem Gruß erkannt, daß ich aus Deutschland komme, und schalten sofort von Englisch auf Deutsch um. Wir schwatzen einen Moment, dann gehen wir in entgegengesetzte Richtung auseinander. Leider vergesse ich zu fragen, warum sie alle Deutsch können. Ein wenig surreal ist das schon.

Kammweg auf dem Saileag

Auf dem Saileag.

Mein Wasservorrat geht zu Ende und ich unternehme einige Erkundungen, um frisches Wasser zu finden. Die Suche ist nicht von Erfolg gekrönt, so daß ich mir aus einem Altschneefeld mit der Trinkflasche etwas Schnee herauspicker. Später finde ich den Abfluß eines Schneefeldes, werfe mein selber getautes Wasser wieder weg und fülle mir abtropfendes Wasser ab. Das ist wesentlich sauberer als das aus dem eingesammelten Schnee.

Kammweg zum Sgùrr a' Bhealaich Dheirg Schneefeldrest

Schneefeldrest

Steinhaufen auf Sgùrr a' Bhealaich Dheirg
Auch auf dem Sgùrr a' Bhealaich Dheirg gibt es wieder einen großen Steinhaufen.

19:30 Uhr beende ich die Etappe und baue auf dem Sattel nach dem Sgùrr a' Bhealaich Dheirg mein Zelt auf. Die Lage ist etwas exponiert, aber größere Felsblöcke als Windschutz sind auf dem Kamm Mangelware. Für den Kocher baue ich mir aus Steinplatten eine windgeschützte Ecke. Es ist sehr neblig, deshalb verschiebe ich das Zeltfoto auf den nächsten Tag. Ich habe mich den ganzen Tag etwas schlapp gefühlt, was daran liegen könnte, daß ich zu wenig gegessen habe. Gerade wenn ich so schlapp bin, habe ich auch keinen Hunger, was das Problem noch verstärkt.

Kochstelle Zelt am Sgùrr a' Bhealaich Dheirg
GPS: 57.17493, -5.25082
Zeltplatz und Kochstelle am nächsten Morgen

  Sgùrr a' Bhealaich Dheirg ↣ Bealach Allt Grànnda

K km 22, L 7 km, H 620 m, R 1170 m, O 1001 m, U 370 m

Ich wache um 6:45 Uhr auf, spreche meinen Audiokomentar des gestrigen Tages ins Handy und drehe mich noch mal auf die andere Seite. Der Boden ist schön weich und eben. 9:30 Uhr dann ein neuer Anlauf. Ich koche Kaffee und das weckt die Lebensgeister endgültig. In der Nacht zogen einige Regenbänder durch. Der Wind wechselte mehrmals zwischen windstill und Sturm, so daß ich Angst um mein Zelt hatte. Unterhalb des Schneefelds in der Nähe sitzt eine Kröte, die sich in der Nacht einige Male lautstark bemerkbar machte.

Blick auf Ciste Dhubh Blick auf Aonach Meadhoin

Rechts davon der Aonach Meadhoin, der letzte 1000er (1001 m).

Erst kurz vor Mittag gehe ich los, 13 Uhr erreiche ich den nächsten Gipfel, den Aonach Meadhoin, von dem aus meine Tour nach Norden schwenkt. Der Nebel der Vortage ist aufgestiegen und ich habe schöne Ausblicke auf den Beginn der Tour vom Loch Duich und auf den Abstieg aus der Bergkette. Das Schneefeld, an dem ich übernachtet hatte, ist den ganzen Tag über gut zu erkennen.

Blick vom Aonach Meadhoin nach Nordwesten Blick vom Aonach Meadhoin nach Nordosten

Blick vom Aonach Meadhoin voraus nach Nordosten.

Vor der nach Norden ausgerichteten Kette mit dem Ciste Dhubh als höchstem Gipfel geht es 400 Meter weglos nach unten durch einen sehr sumpfigen Sattel. Hier sammelt sich das Wasser der Wiesen in einem kleinen Teich. OSM zeigt mir östlich und westlich davon Wege nach Norden an, die ich beide nicht finde. Erst auf halber Höhe zum Gipfel beginnt sich ein Weg abzuzeichnen. Wie häufig an den Tagen davor, hole ich mir nasse Füße.

im Sattel Anstieg auf Ciste Dhubh

Letzter Anstieg auf den Ciste Dhubh

Vom Ciste Dhubh gibt es in OSM keinen Weiterweg nach Norden. Es erhob sich die spannende Frage, ob ich auf der Nordwestrippe einen Abstieg finden würde. Ein Wanderbericht von electricfly beschrieb, daß das möglich ist. Wobei er etwas tougher als ich zu sein scheint. Er ging die Tour, für die ich 3 Tage brauche, in einem Tag hin und zurück. [Kommentar 2024: Der Bericht ist übrigens ein trauriges Beispiel dafür, was passiert, wenn man die Kontrolle an ein kommerziell betriebenes Forum abgibt. Waren 2015 noch alle Fotos in Original zu sehen, sind sie heute durch Werbung komplett entstellt.] Der Blick vom Gipfel nach Norden zeigt erst mal keine Hindernisse. Komplett einsehen kann man das Gelände erst vom letzten Vorgipfel aus. Ich beginne mit dem Abstieg.

vor Abstieg vom Ciste Dhubh Blick ins Tal von letztem Vorsprung

Blick von letztem Vorsprung ins Tal

Ich versuche, eine Route zu finden, wo in der Karte die Höhenlinien weiter auseinanderliegen. Allerdings ist es für 300 Höhenmeter überall gleichmäßig steil. Dort war der Abstieg recht anspruchsvoll. Obwohl es bergab ging, mußte ich einige Pausen machen, um mich von der Suche nach guten Tritten zu erholen. Meine Erschöpfung von gestern war immer noch nicht ausgestanden. Zwei Mal rutsche ich weg und lande auf dem Hintern. Besonders schlimm sind die Stellen, wo der schwarze Boden durch den kargen Bewuchs hindurchscheint. Dort löst sich leicht der Rest Vegetation und gleitet mit mir abwärts.

Unterwegs hole ich mir Wasser an einem Bach und bin damit für alle Übernachtungsoptionen offen. Ich sehe mir verschiedene Schlafplätze an, die alle nicht besonders eben waren. Zum Schluß lande ich auf einem kleinen Kegel, dessen Spitze gerade so für mein Zelt ausreicht. Ich baue mein Zelt dort auf. Eben ist es nicht, aber einigermaßen waagerecht. Dadurch daß im Gelände alles schief ist, fällt es mir schwer, oben und unten herauszufinden. Ich baue das Zelt natürlich verkehrt rum auf (Kopfende nach unten) und drehe mich für die Nacht im Zelt um. Mangels Steinen kann ich die Häringe nicht wie an den Tagen davor beschweren. Sie stecken nur sehr locker im Boden und ich hoffe, daß es windstill bleibt.

Zeltplatz im Tal GPS: 57.20489, -5.22917
Zeltplatz im Tal am nächsten "Morgen".

Die Schonzeit vor den Midges ist vorbei. Oberhalb 700 Meter haben sie mich in Ruhe gelassen, aber beim Zeltaufbau waren sie schon wieder da. Ich koche unter Vollschutz vor dem Zelt eine große Portion Spaghetti, dazu Tomatensoße aus der Tüte. Heute habe ich Appetit und finde sie ziemlich lecker. Als Nachtisch noch ein Kräutertee mit Ingwer und eine Tafel Schokolade. Danach befreie ich das Zelt von den eingeschleppten Midges. Das geht sehr einfach, denn sie schweben alle in einer Ecke, sind gar nicht angriffslustig und wollen nur zum Licht nach draußen. Um 22 Uhr ist es immer noch so hell, daß man wandern könnte.

In der Nähe des Zeltplatzes rauscht ein kleiner Wasserfall. Morgen muß ich nur noch über den Fluß im Tal kommen. Electricflys Blog erwähnt einen Kuhzaun über den Fluß, an dem man sich entlanghangeln kann. Sobald ich auf der anderen Seite bin, erwarten mich zwei Tage Wanderung auf breitem Pfad.


  Bealach Allt Grànnda ↣ Loch Affric

K km 35, L 13 km, H 170 m, R 300 m, O 370 m, U 240 m

Ich kann ewig nicht einschlafen, weil ich die ganze Nacht Gedanken wälze. Um sieben ringe ich mich durch, Frühstück zu machen, und drehe mich danach noch mal auf die Seite. Als ich aufwache, ist es 13 Uhr.

Über den Bach komme ich doch nicht am Tierzaun, sondern einfach an einer flachen Stelle durchs Wasser. In meinen Sandalen macht es kaum einen Unterschied, ob ich durch nasses Gas oder durch einen Bach laufe.

Wasserfall Talgrund des Allt Cam-ban

Talgrund des Allt Cam-ban, der dunkle Punkt in der Ferne ist die Camban Bothy

Die Camban Bothy nutze ich, um mir in Midges-freier Umgebung eine Linsensuppe und einen Tee warmzumachen. Die Hütte ist recht nett. Sie hat 2 Schlafräume, so daß zwei Gruppen unabhängig voneinander was unternehmen können. Als ich ankam, stand ein Rucksack im Raum und ein Bett war belegt. Der Rucksackbesitzer hatte im Hüttenbuch eingetragen, daß er auf den Fhionnlaidh steigt und am Abend wiederkommt, aber nicht, wie er heißt. Für eine Übernachtung war mir das Tagespensum zu gering. Nach 16 Uhr gehe ich weiter.

Camban Bothy Tafel Camban Bothy Betten
Camban Bothy, ein Übernachtungsgast ist bereits eingezogen.

Ab und zu ist der Weg überflutet, so daß ich in die Wiese daneben ausweiche. Bei einer dieser Aktionen gerate ich allerdings statt in nasse Wiese in einen Sumpf. Eine Sandale löst sich vom Fuß und bleibt im Boden unter 30 Zentimeter tiefem Wasser stecken. Ich bleibe wie angewurzelt stehen. Damit ich die Position nicht verliere, kann ich meinen Rucksack nicht im Trockenen absetzen. Während ich langsam immer weiter versinke, fische ich im trüben Wasser nach meiner Sandale. Glücklicherweise bekomme ich sie nach einer Weile zu fassen und kann sie mit aller Kraft herausziehen. Das war knapp! Ohne Schuhe komme ich nicht sehr weit und Ersatzschuhe hatte ich wegen der Gewichtsoptimierung für das Boot keine mit.

Sumpfloch Sandale wiedergefunden

Sandale wiedergefunden

Für kurze Momente ist die Sonne zu sehen. Es könnte also noch schön werden. Auf dem Fahrweg am Bach kommen mir ein Radfahrer und zwei Wanderinnen entgegen. Später liegen noch andere touristische Gebäude am Weg, der hier sogar markiert ist!

erste Wegmarkierung Affric Kintail Way
Erste Wegmarkierung (des Affric Kintail Way).

Ich sehe mir den Bach schon mal auf Schiffbarkeit an. Mit mehr Wasser würde es wahrscheinlich gehen, ohne dauernd aufzusetzen. Vor dem Wasserfall muß man auf jeden Fall aussteigen.

River Affric River Affric
River Affric River Affric
Weg entlang des River Affric

Am Loch Affric angekommen, überlege ich, wo ich heute übernachten soll. Den schönsten Platz am flachen Strand an der Westseite des Sees haben mir schon zwei große Hilleberg-Zelte weggeschnappt. Das sieht nach einer größeren Gruppe aus, die werden unter sich bleiben wollen. Auch am Südufer kommt mir ein Mann mit einem Rucksack entgegen, aus dem ein verräterisches rot-weißes Bändchen herauslugt. Ohne Hilleberg geht hier wohl nichts.

Zelte am Loch Affric
Zwei Zelte im Schwemmland am Westufer des Loch Affric.

Leider ist der See zum Schutz der Wald-Anpflanzung vor Weidetieren komplett eingezäunt. Als Nebeneffekt werden auch die Menschen abgehalten, denn Übertritte gibt es keine. Es gibt nur einen einzigen Wirtschaftsweg, der ohne Abzweigmöglichkeit 30 Meter über dem Seelevel verläuft. Die Zeltplatzsuche war schwierig, an vielen Stellen gab es nur Sumpf mit Moos. Letztlich finde ich oberhalb des Weges auf vom Gletscher glattgeschliffenem Fels mit dünner Vegetationsdecke eine Stelle für mein Zelt. Die Felsbuckel verhindern auch, daß man das Zelt vom Weg aus sieht.

Zelt am Loch Affric GPS: 57.24438, -5.06535
Zelt am Loch Affric

Der Zeltaufbau ging noch gut ohne Midgets-Schutz, aber nachdem ich im Zelt lag, brach draußen die Hölle los und ich wurde von Unmassen dieser Kreaturen belagert. An Kochen war nicht zu denken. Zum Abendbrot gab es das letzte Brötchen von zu Hause und Schmalz. Energie pur. Wenigstens hatte ich heute schon warmes Mittagessen.


  Loch Affric ↣ Cannich

K km 60, L 25 km, H 30 m, R 200 m, O 240 m, U 70 m

Diese Nacht schlief ich gut. Ich hatte mal ein Kissen ohne raschelnde Hülle gebaut, vielleicht lag es ja daran. Um sechs wache ich auf, da war es kalt, Regen- und Midgets-frei. Da hätte ich wahrscheinlich aufstehen sollen. Später pladdert Regen auf mein Zelt und die Midgets melden sich zurück. Ich finde immer Neue im Zelt, die kann ich doch nicht alle am Vorabend an den Klamotten mit eingeschleppt haben?

Affric Lodge Loch Beinn a' Mheadhoin

Loch Beinn a' Mheadhoin

Nach langem vergeblichen Warten auf das Regenende baue ich das Zelt im Nieselregen ab und gehe in Regenklamotten los. Kurz danach hört es auf. Einige Schauer erwischen mich im Lauf des Tages doch noch.

Es geht weiter den Wirtschaftsweg oberhalb des Loch Affric entlang, den See bekommt man kaum zu Gesicht. Zwischen Loch Affric und dem nächsten See Loch Beinn a' Mheadhoin gibt es eine nobel ausgebaute öffentliche Toilette, die ich für eine Midgets-freie Pause nutze. Die Straße oberhalb des Loch Beinn a' Mheadhoin ist durch dichten Bewuchs vom See getrennt, auf den man kaum Mal einen schönen Ausblick hat. Ich hatte mir von beiden Seen mehr erhofft.

Abfluß Loch Affric Zufluß Loch Beinn a Mheadhoin
Zwischen den Seen

Eine Bootstour auf den beiden Seen hätte die etwas triste Straßenlatscherei sicher etwas aufgelockert. Ich sehe allerdings, ohne gezielt danach zu suchen, keine Ein- oder Aussetzstellen. Zwischen beiden Seen würde ich auf jeden Fall umtragen, da ist die Verbindung zu verblockt. Weil das Boot auf ruhigen Gewässern nicht gut vorankommt, hatte ich nicht von vornherein eine Bootstour geplant. Und spontan bot sich das wegen des schlechten Wetters und der schwierigen Zugänglichkeit des Ufers auch nicht an. Außerdem war ich wegen der kurzen Etappen im Gebirge gegenüber meinem Zeitplan im Rückstand.

River Affric bei Dog Falls River Affric bei Dog Falls
Blick von der Holzbrücke oberhalb der Dog Falls

Nach den Seen mache ich noch einen Abstecher zu den Dog Falls. Das ist ein Besuchermagnet, einige Leute sind dahin vom nahen Parkplatz unterwegs. Der Fluß hat eine hübsche kleine Klamm in den Fels geschnitten.

River Affric bei Dog Falls River Affric bei Dog Falls
River Affric bei Dog Falls

Am Wasserfall war ich zwei Mädels aus dem Süden Englands aufgefallen, die beim Vorbeifahren fragen, ob sie mich mit Ihrem Wohnmobil ein Stück mitnehmen können. Ich stimme freudig zu, denn mir reicht es mit der Straße. Sie bringen mich zum Cannich Woodland Camping and Caravan Park. Auf dem kurzen Weg unterhalten wir uns angeregt. Sie sind auf einer einwöchigen Tour durch Schottland unterwegs. In Erinnerung ist mir geblieben, daß ich als Ausländer Ihnen was über die Midges erzähle. Bisher war ich davon ausgegangen, daß die jeder in Großbritannien kennt. Aber offenbar kommen sie im Süden der Insel nicht vor und für die Beiden war das eine neue Erfahrung. Ich bedanke mich für die Fahrt und wünsche Ihnen noch einen schönen Urlaub.

Zelt im Cannich Woodland Camping and Caravan Park GPS: 57.34329, -4.75958
Zelt im Cannich Woodland Camping and Caravan Park

In Cannich erreiche ich wieder die Zivilisation. Der Zeltplatz ist hervorragend! Ich darf zwischen verschiedenen Landschaftsformen (Wiese, Wald, Waldwiese) einen einsamen Platz für mein Zelt auswählen. Ich wähle Wald, weil der einen Schutz vor Kondensfeuchte bietet und den weichesten Boden hat. Warm duschen kann ich, solange ich will, und für morgen früh gibt es eine kleine Bar. Im Ort gibt es einen SPAR, in dem ich meine Vorräte aufstocke. Ich kaufe für ein Pfund eine Tüte mit Obst, die einen gelben und zwei rote Äpfel, eine Birne, eine Kiwi und eine Mandarine enthält. Günstig und genau richtig für mich, denn ich hatte auf der Wanderung einen Heißhunger auf Obst entwickelt. Ich nehme noch einen Liter Orangensaft und gefüllte Paprikas mit Frischkäse, sehr lecker! In die Kneipe im Ort will ich mich alleine abends doch nicht setzen und bleibe im Zelt.

Morgen startet die Bootsfahrt. Geplant sind zwei Tage für die etwa 50 Kilometer bis zum Meer. Durch den Gewaltmarsch heute und das Stück Autofahrt bin ich wieder im Plan. Ich bin aufgeregt, weil es die erste Tour auf wilderem Wasser als in Mecklenburg ist. Hoffentlich spielt das Wetter mit, denn auf einen Wetterwechsel deutet eigentlich nichts hin. Ich schicke noch eine SMS an meine Freunde, mit denen ich mich in Inverness treffen will.




Die Bootsfahrt




  Cannich ↣ Eilean Aigas

K km 87, L 27 km, H 0 m, R 20 m, O 70 m, U 50 m

7:30 Uhr stehe ich auf, packe zusammen und trinke in der Bar einen Kaffee. Dazu gibt es einen riesigen Cookie mit Nougat Creme, der etwas zu viel war. Ein Stück hinter der Brücke blase ich das Boot auf. Dank Luftsack geht das schnell von der Hand. Lediglich einen kleinen Rest muß ich mit dem Mund aufblasen. Zum ersten Mal seit Tagen schien kurz die Sonne.

Boot reisefertig Auf Erkundung

Auf Erkundung.

Der Fluß ist für meine bisherige Erfahrung sehr schnell. Ich hatte mir aus der Google Maps Satellitenansicht kritische Stellen ausgedruckt und konnte ab und zu mal einen Blick drauf werfen. Die vielen Kiesbänke ermöglichten einen einfachen Ausstieg, so daß ich mir alles Kritische vorab ansehen konnte. An zwei Schwierigkeiten habe ich das Boot lieber über Land getragen, als da durchzufahren. Einmal gleich kurz hinter Cannich und an der Stelle der eingestürzten Hängebrücke. Die Reste der Brücke lagen schon komplett auf dem Ufer und bildeten keine Gefahr mehr. In Flußmitte gab es allerdings immer noch Hindernisse und generell ist die Stelle anspruchsvoll. Man muß vorher um einige Sandbänke navigieren, im Wasser liegenden Bäumen ausweichen und danach die sehr schmale, schnell fließende Fahrrinne treffen. Da muß jeder Handgriff sitzen.

eingestürzte Brücke eingestürzte Brücke
Die eingestürzte Brücke

Das schien mir zu schwierig. Deshalb habe ich den östlichen Flußarm genommen, in dem aktuell sehr wenig Wasser floß und bin mal über Sandbänke gelaufen und dann wieder kurze Abschnitte stehendes Gewässer gepaddelt. Das war zwar mühsamer, aber so komme ich sicher an der Gefahrenstelle vorbei. Danach gehe ich noch zweimal auf Erkundung, kann aber alles problemlos fahren.

Auf Erkundung ruhiges Wasser

Ruhiges Wasser.

Bis zur Mauld Bridge verliert der Fluß komplett die Strömung und beginnt endlos zu mäandern. Häufig habe ich Gegenwind, so daß das Vorankommen mühselig wird. Es beginnt leicht zu regnen und weil die Luft aus meinem Sitzkissen entwichen war, hatte ich einen nassen Hintern. Im Motivationstief lande ich vor der Brücke an und sitze das meiste des Regens unter einer alten Linde aus.

Mauld Bridge Mauld Bridge
An der Mauld Bridge sitze ich unter einem Baum einen Schauer aus.

Nachdem der Regen nachläßt, laufe ich ein wenig rechts und links der Brücke die Landstraße entlang. Am linken Ufer finde ich das Struy Inn, in dem ich in meiner momentanen Verfassung gerne eine Nacht verbracht hätte. Leider war kein Zimmer frei. Der Betreiber nennt mir eine Alternative, die mir aber zu weit vom Fluß entfernt ist.

The Struy Inn
The Struy Inn

Notgedrungen fahre ich in leichtem Nieselregen weiter. Kurz nach der Brücke kommt von links mit Schwung das Wasser des River Farrar in den River Glass geschossen. Beide fließen zusammen als River Beauly weiter. Ich werde an der Stelle von einer großen Welle erwischt, die fast ins Boot geschwappt wäre. Ohne starkes Gegenhalten wäre ich ans rechte Ufer gespült worden. Das vereinigte Wasser hat wieder stärkere Strömung und ich muß wieder konzentrierter paddeln. Meine Stimmung hebt sich wieder, als auch der Regen aufhört.

Boot mit Rucksack
Mein Ausblick

Einige Biegungen später ist die Strömung schon wieder abgeflaut. Spätestens an der 180 Grad Rechtskurve steht das Wasser wieder. Die Luft ist nach dem Regen unglaublich klar. Eine magische Stille liegt über dem Fluß. Auf der Aigas Flußinsel lockt wunderschöner Kiefernwald. Ich bin mir sicher, dort eine Übernachtung zu finden. Ich lande an und baue das Zelt auf weichem Waldboden auf.

Zelt auf Eilean Aigas GPS: 57.43719, -4.56071
Übernachtung auf Eilean Aigas

Die Insel ist nicht völlig menschenleer. Am anderen Ende ist sie über eine Holzbrücke mit dem Festland verbunden und ein paar Häuser stehen dort. Abends hätte ich also noch Besuch bekommen können, aber es kam niemand. Ich mache mir ein Fertiggericht warm (Grünkohl mit Wurst), sehr lecker. Nach dem Abendbrot regnet es schon wieder.

Mein Plan war, morgen bis nach Beauly zu kommen. Das wäre zwar nicht das ganz große Ende, daß ich mit dem Boot bis aufs Meer fahre, aber wahrscheinlich das vernünftigste. Ich weiß nicht, wie ich mit Meereswellen zurechtkomme. Ein Spritzverdeck habe ich zwar mit und sogar eine Schwimmweste, beides habe ich bisher noch nicht genutzt. Das Boot hat übrigens ein Leck am Fußende an der Schweißnaht der Luftkammer mit dem Boden. Schon zu Hause war mir aufgefallen, daß es Luft verlor, ich hatte die Stelle aber nicht gefunden. Jetzt war mir so viel Wasser ins Boot gelaufen, daß es am Fußende ständig blubberte. Ist aber nicht schlimm, für einen Tag reicht die Luft.


  Eilean Aigas ↣ Beauly Holiday Park

K km 97, L 10 km, H 0 m, R 40 m, O 50 m, U 10 m

In dieser Nacht schlafe ich sehr gut. Morgens mache ich mir mit wunderbarem Ausblick auf das Wasser meinen Kaffee. Weder gestern Abend noch heute belästigen mich die Midges oder Mücken, ich kann das Zelt offen lassen. Auch ohne Sonne ist das ein zauberhafter Morgen.

Morgennebel Morgennebel
Morgennebel

Das setzt sich auf dem Wasser fort. Eine große Stille liegt auf dem Wasser. Das Eintauchen der Paddel und das Gurgeln der Blasen hinter mir ist das einzige Geräusch. Ich nehme den westlichen Arm um die Insel, der mich durch eine hübsche Schlucht führt. Wegen einem mir unklaren Symbol in der Karte hatte ich in diesem Arm eine Kanustation vermutet, aber das Steilufer wäre der denkbar ungünstigste Platz dafür.

Beauly bei Eilean Aigas Beauly bei Eilean Aigas
Die Beauly bei Eilean Aigas.

Das Bild des Wasserfalls sehe ich mir auf der Kamera an und entdecke, daß ich die ganze Zeit den Zeitstempel in die Bilder gestanzt habe. Na toll!

Wasserfall
Wasserfall

Mit entspannter Paddelei gelange ich zur Ersten von drei Wasserkraftanlagen bis zum Meer, dem Aigas Dam. Offenbar ist man hier überhaupt nicht darauf eingerichtet, daß jemand von der Wasserseite kommen könnte. Es gibt keine Anlandestelle, Treppe oder Leiter. Ein kleines Stück zurück gelingt es mir, aus dem Wasser zu kommen.

Staumauer Aigas Dam Staumauer Aigas Dam
Der Aigas Dam versperrt den Weg.

Das Wiedereinsetzen ist einfacher von einer flachen Kaimauer aus. Bis dahin ist es allerdings fast ein Kilometer über die Landstraße und wieder zurück. Das Ganze für 10 Meter Luftlinie. Zum Glück ist das Boot nicht schwer. Am Damm hatte ich mich mit einem der Arbeiter unterhalten, der mich davor warnte, nach dem Aigas Damm wieder einzusetzen. Am 2. Damm würde man nicht aus dem Wasser kommen. Ich will mir das selber ansehen und lasse mich nicht abschrecken. Notfalls paddle ich wieder zurück. Die Strömung ist zwischen den Dämmen nur gering.

Wiedereinsetzstelle Rückblick zur Einsetzstelle
Wiedereinsetzstelle auf der Kaimauer

An das Hin- und Herwippen der Spitze bei jedem Paddelschlag hatte ich mich schon gestern schnell gewöhnt. Lediglich das Fotografieren stellt mich vor Herausforderungen, denn bis ich das Paddel aus der Hand gelegt und die Kamera in Anschlag habe, hat sich das Boot um 180° gedreht. Ich darf mir auch nicht zu viel Zeit mit dem fotografieren lassen, weil sonst meine eigene Bugwelle das spiegelglatte Wasser vor mir aufwühlt. Und sind erstmal Wellen vor mir, braucht es lange, bis sich das Wasser wieder beruhigt.

spiegelglattes Wasser vor mir spiegelglattes Wasser vor mir
Spiegelglattes Wasser vor mir
Strudel hinter mir Strudel hinter mir
Blasenspur hinter mir
spiegelglattes Wasser vor mir Rhododendron
Mich begeistert das Rot der Rhododendronbüsche, die ins Wasser hängen.

Es stimmt leider, daß man am Kilmorack Dam schwer aus dem Boot aussteigen kann. Das Bauwerk bietet keine Unterstützung. Die Ufer sind steiler und höher als beim ersten Damm. Ich paddle ein Stück zurück und finde an einer Böschungskante einen kleinen Sockel über dem Wasser, der gerade so für meine Füße reicht. Dort steige ich aus und kämpfe mich durch nasses Gras und Gestrüpp einen 70° Hang hoch, das Boot im Schlepptau. Eine ziemlich brenzliche Aktion, da nicht abzurutschen.

Staumauer Kilmorack Dam Böschung am Kilmorack Dam
Staumauer und Böschung am Kilmorack Dam

Aus dem Kilmorack Dam kommt das Wasser recht schnell heraus. Die Rückseite des Damms darf man nicht betreten. Eine Wiedereinsetzstelle gibt es erst nach der Brücke. Ich setze dort am linken Ufer ein, gehe aber kurz danach rechts wieder an Land, um mir die Stromschnellen anzusehen. Die sind mir zu riskant, weil ich weiß, daß ich gleich wieder aus dem Wasser muß, um den 3. Damm zu umgehen. Der grenzt an ein V-förmiges Wehr, vor dem man aussteigen muß. Das Satellitenbild zeigt dort aufgewühltes Wasser. Leider hat der Energieversorger das Gelände großräumig abgesperrt, so daß es von Land nicht zu erkunden ist. Ich finde auf der rechten Seite am Ufer keinen Weg bis hinter das Wehr.

Kilmorack Brücke Stromschnellen nach der Brücke

Stromschnellen nach der Brücke

Deshalb baue ich das Boot ab und beende die Paddeltour hier. Über die Brücke gehe ich zurück zur Landstraße. Vor der Kilmorack Gallery gibt es eine Bushaltestelle. Die beiden Busse, die hier halten, sind heute leider schon durch. Also laufe ich auch noch die drei Kilometer Landstraße bis zum Campingplatz in Beauly an der Lovat Bridge.

Kilmorack Gallery
Kilmorack Gallery

Ich bekomme einen Zeltplatz nahe bei den Sanitäranlagen. Später stößt noch ein zweites Zelt dazu, von einem Pärchen, das sich unentwegt streitet. Ich frage den Zeltplatzwart nach einem Fußweg nach Inverness. Er kennt keinen und auch in OSM werde ich nicht fündig. Die Landstraße erschien mir heute schon gefährlich, weil es neben den Grundstückszäunen keinen begehbaren Seitenstreifen gab. Also nehme ich morgen den Bus.

Zelt im Beauly Holiday Park GPS: 57.47212, -4.47538
Im Beauly Holiday Park

Vor dem Abendbrot unternehme ich noch einen Ausflug nach Beauly in den Supermarkt und zur Beauly Priory. Die Ruine ist gerade eingerüstet, so daß ich keine schönen Fotos schießen kann.

Beauly Priory
Beauly Priory



Der Urlaub




  Beauly ↣ Inverness ↣ Drumnadrochit Lewiston

Von Beauly fahren auch am Sonnabend im Stundentakt Busse und Züge nach Inverness. Ich verabrede mich mit meinen Freunden 13 Uhr am Busbahnhof. Zur vereinbarten Stunde herrscht schönster Sonnenschein. Ab hier ist das Solo-Abenteuer vorbei, ich muß nichts mehr selbst entscheiden und kann mich treiben lassen und habe auch kein Blog mehr aufgezeichnet.

Wir fahren von Inverness nach Süden, wieder am Loch Ness entlang. Auch heute zeigt sich Nessie nicht. Bis sie dann plötzlich vor uns steht. Wir sehen uns Urquhart Castle an und ein U-Boot, mit dem man nach Nessie gesucht hat. Ich schlafe das letzte Mal im Zelt auf dem Zeltplatz in Drumnadrochit Lewiston. Die anderen hatten sich eine Pension im Ort gebucht.

Horror in Inverness Urquhart Castle

Urquhart Castle

Tauchboot Nessie

Nessie

Loch Ness Zelt in Drumnadrochit Lewiston
GPS: 57.32807, -4.46564

Mein liebstes Grün


  Drumnadrochit Lewiston ↣ Glenbrittle

Wir besichtigen Eilean Donan Castle, sind im falschen Auto unterwegs und setzen damit nach Skye über. In Sligachan rasten wir kurz in dem Hotel, wo ich 2004 für viel Geld Rettung vor dem Dauerregen fand. Wir übernachten im Glenbrittle Youth Hostel. Auf Skye herrscht wieder triste Stimmung. Ich kann endlos die vom Meer gestalteten Texturen von Sand knipsen. Unser Ziel ist die Jugendherberge in Glenbrittle.

Eilean Donan Porsches

Parkplatz am Castle

Skye Küstenbergschaf

Küstenbergschaf

Sand Sand
Sand
Sand Sand
Sand
Sand Sand
Sand
Küche Glenbrittle SYHA GPS: 57.21972, -6.29331
Die Küche des Glenbrittle SYHA

  Glenbrittle

Das Wetter ist durchwachsen. Wir unternehmen einen Spaziergang entlang der Küste durch sehr sumpfiges Gebiet. Ich finde einen dunkelgrünen Stein mit gelben Einsprengseln. Sehr hübsch.

Wasserfall grüne Hügel

Grüne Hügel

Klippe Klippe
Klippen
Strand-Grasnelke Sumpf-Schwertlilien

Sumpf-Schwertlilien

Rast
Wir vier bei einer Rast

  Glenbrittle

Der Tag beginnt mit einer Whisky-Verkostung in der Talisker Brauerei. Nicht mein Ding. So eine ähnliche Flüssigkeit fließt auch im Garten des nahen Dunvegan Castle, das wir uns als Nächstes ansehen. Der Garten kann außerdem noch mit Sommer-Magnolien und einer 4-seitigen Sonnenuhr aufwarten. Danach folgt ein Strandspaziergang, bei dem sich ausschließlich Robben im Wasser tummeln. Mir ist das Wasser zu kalt.

Talisker Brauerei braunes Wasser

Ähnlich braune Flüssigkeit im Garten von Dunvegan Castle

Sommer-Magnolie Sonnenuhr

Sonnenuhren an allen 4 Seiten der Stele

Dunvegan Castle Dunvegan Castle
Dunvegan Castle, mit dem Charme eines DDR-Plattenbaus.
Strand mit Menschen Strand mit Robben
Strand mit Menschen (an Land) und Robben (im Wasser)

  Glenbrittle

Heute steht der Aufstieg zum Inaccessible Pinnacle (986 m) in den Black Cuillins auf dem Programm, beziehungsweise zu seinem Vorgipfel Sgùrr Dearg. Oben erwischt uns fast ein Felsbrocken, den einer der Kletterer losgetreten hat.

Black Cuillin Klamm mit Wasserfall

Klamm mit Wasserfall

In Pin Blick vom In Pin
Der In Pin ist nur Kletterern zugänglich. Wir nehmen mit dem Sgùrr Dearg vorlieb.
Nix
Nix zu sehen.

  Glenbrittle ↣ Rowardennan by Drymen

Wir verlassen Skye, machen einen Abstecher zu Castle Stalker, das bei Flut auf einer Insel steht. Weiter gehts zur Ruine von Kilchurn Castle und zum Inverary Castle, was mal in einer Episode der Serie Downton Abbey als Drehort verwendet wurde. Die Papp-Aufsteller der Serie sind omnipräsent. Abends trudeln wir in unserer neuen Basis ein, dem Rowardennan Lodge Youth Hostel am Loch Lomond.

Segelflotte Castle Stalker

Castle Stalker

Ruine von Kilchurn Castle Blitztreffer ?

Blitztreffer ?

Inverary Castle von vorn Inverary Castle von hinten
Inverary Castle von vorn und hinten.
Inverary Castle Brücke Inverary Castle Brücke
Brücke am Inverary Castle.
Inverary Jungkühe

Was gibts da zu tuscheln?

Rowardennan Lodge Youth Hostel GPS: 56.15781, -4.64361
Rowardennan Lodge Youth Hostel

  Rowardennan by Drymen

Bei tief hängenden Wolken steigen wir auf den Ben Lomond. Oben wird die Sicht besser und wir können den kompletten Loch Lomond überblicken. Am Nachmittag haben wir tatsächlich mal blauen Himmel und bekommen ein paar Sonnenstrahlen ab. Das war bisher Mangelware.

Ben Lomond Ben Lomond Montierung
Gipfel des Ben Lomond
Loch Lomond Korn

Korn

Loch Lomond Ufer Lodge

Unsere Lodge


  Rowardennan by Drymen ↣ Stirling

Am Morgen regnet es schon wieder. Das macht uns den Abschied leichter. Wir sind begeistert vom Falkirk Wheel, einer Schiffshebeanlage, die 33 Meter Höhenunterschied überwindet. Ob die mein Schlauchboot wohl auch schleusen würden? Wir checken in der Jugendherberge in Stirling ein und unternehmen bis zum Abend noch einen Stadtbummel.

Lodge Kelpies

Die Kelpies, gigantische Pferdeköpfe.

Falkirk Wheel Falkirk Wheel
Das Falkirk Wheel
Kanal in den Berg Kanal zum Falkirk Wheel
Der obere Kanal aus dem Berg auf das Rad.
Pyramide Schornsteine

Monumente des Kohle-Zeitalters

Old Bridge Friedhof

Friedhof

Stirling Youth Hostel GPS: 56.11949, -3.9434
Stirling Youth Hostel

  Stirling ↣ Edinburgh

Kelpie Kelpie
Erneut geht es an den Kelpies vorbei zum Flughafen.



Fazit



Die Wanderung durch die Five Sisters of Kintail hat mir trotz meiner für diese Verhältnisse nicht optimalen Ausrüstung (Sandalen) sehr gefallen. Ich kann die wilde Schönheit Schottlands auch bei Wolken am Himmel genießen. Bei Regen gefällt sie mir allerdings nicht ganz so gut.

Auch die Paddeltour auf Glass und Beauly war ein wunderbares Abenteuer. Ich war an diesen beiden Tagen der Einzige auf dem Fluß und nur 4 weitere Boote lagen am Ufer. Gerade der Wechsel der Fließgeschwindigkeit von schnell zu langsam, wieder schnell und wieder langsam ist sehr reizvoll. Langeweile kommt da nicht auf. Von meinem Boot bin ich begeistert und fühle mich darin schon richtig heimisch. Der größte Schwachpunkt war, daß man bei den Wasserbauwerken keinen Gedanken an Wasserwanderer verschwendet hat. Bei einem Millionenprojekt wie einem Staudamm ist es nicht einzusehen, daß man nicht die hundert Euro für eine Leiter investieren konnte.

Und Urlaub in Schottland geht immer!

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